„Sieh mich an!“ – Wie oft schauen wir bei Bekanntem nicht so genau hin. Und wie gut wäre es, gerade dort genau hinzusehen, wo sich allzu große Vertrautheit und Selbstverständlichkeit eingeschlichen haben.
Auch im Glauben, auch bei Jesus und bei seinem Kreuz.
Die Karfreitagsliturgie begann, wie der Gründonnerstag geendet hatte: in Offenheit.
Eine formlose Prostratio um den bloßen, heute funktionslosen Altar, und gleich danach der Sprung in die Lesungen des Tages: Jesus, „ein Mann voller Schmerzen“, „durchbohrt wegen unserer Vergehen“ (Jes 52), der „mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten“ vor Gott brachte und letztlich „erhört worden ist“ (Heb 4-5): Sein Leiden und Sterben hörten wir, wie der Evangelist Johannes sie berichtet.
„Sieh mich an!“ – das war das Wort, das diesmal an „unsere“ Leiter gehängt wurde. Jesus wirklich anzusehen und sich sein Leben und Sterben, sein Evangelium wie auch seine Bedeutung für mich und mein Leben bewusst zu machen, ist am Karfreitag immer eine besondere Gelegenheit, wenn das Kreuz hereingetragen und der Gekreuzigte Schritt für Schritt enthüllt wird – und vielleicht noch intensiver, wenn wir einzeln ganz nah zum Kreuz kommen, eine Geste der Verehrung setzen im Angesicht Jesu, der für uns und zu unserem Heil gestorben ist… Am Ende war (ungeplantermaßen) der untere Teil des Kreuzes bis zu den Füßen Jesu ganz dicht mit Blumen überdeckt.
Offen, wie die Liturgie begann, endete sie auch: die Enthüllung des heiligen Grabes vor dem leeren Tabernakel; eine lose Versammlung des Gebetes, die sich langsam auflöste.
Text: Kaplan Albert
Fotos: Ute Schellner